„Ricke-Racke-Ricke-Racke geht die Mühle mit Geknacke…“ (Wilhelm Busch)
Worum geht es?
Nach dem §218 StGB, ist eine Abtreibung zunächst einmal rechtswidrig. Das will die Ampel-Koalition laut Koalitionsvertrag unter dem Stichwort der „Reproduktiven Selbstbestimmung“ nun kippen. Damit wäre die Abtreibung ungeborener Kinder – auch unmittelbar vor der Geburt – grundsätzlich legal. Abtreibungs-Gegnern sollen „wirksame gesetzliche Massnahmen“ entgegengesetzt werden, Schwangerschaftskonflikt-Beratung auch online möglich sein.
Eine Nachfolgeregelung außerhalb des Strafgesetzbuches wird angestrebt. Eine hiermit beauftragte „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“, bestehend aus Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne)(1), Pro Familia, der Arbeiterwohlfahrt, dem Bündnis sexuelle Selbstbestimmung und Vertretern der Humboldt-Uni Berlin, wurde laut AWO-Veröffentlichung soeben eingesetzt.
Wo sich die AWO noch mit durchaus vernünftigen Forderungen z.B. nach einer besseren Versorgung meldet, äußerte sich ein Mitglied der JUSOS auf dem Kongress 2018 deutlich radikaler:
„Mein Bauch gehört mir!“ Sexuelle Selbstbestimmung ohne „aber“, konsequent und „bis zum letzten“. „Einstehen für die Frauen, nicht für irgendwelche Ungeborenen“. Menschenrechte gälten zuerst für die Frau, dann für „alles andere“.
Erschreckender als diese Worte eines einzelnen Mitglieds war die Reaktion der Zuhörer: Die wenigen gemäßigten Stimmen gingen im Applaus unter. Doch man wusste, worüber man redet – das belegen die Wortmeldungen der ersten beiden Rednerinnen (YouTube Video).
Die aktuelle Gesetzeslage
Nach der aktuellen und seit 30 Jahren bestehenden Gesetzeslage ist eine Abtreibung grundsätzlich rechtswidrig(3). Dem setzt der Gesetzgeber aber rechtfertigende Umstände entgegen:
- StGB §218a : Nicht rechtswidrig ist die Abtreibung, wenn die Schwangere sich vor der Abtreibung beraten lässt und der Fötus nicht älter als zwölf Wochen ist .
- StGB §219 : In Not und Konfliktlage steigt die Frist auf 22 Wochen.
- StGB §218a Absatz 2: Gefährdet die Schwangerschaft das Leben der Schwangeren, bleibt der Abbruch nach ärztlicher Beratung auch nach der 22. Woche grundsätzlich straffrei.
Diese Lösung steht im Einklang mit der Systematik des Strafrechts: Ein Straftat-Bestand kann straffrei bleiben, wenn die Straftat eine Rechtfertigung hat. Beispiele sind Notwehr-Situationen (StGB §32), der Notstand (StGB §34) oder eben die Regelungen der §§ 218a und 219 StGB.
Die bestehende Regelung schützt aber nicht nur das Ungeborene, sondern auch diejenigen Schwangeren, die die Abtreibung gar nicht aus eigenem Antrieb vornehmen lassen wollen:
Nach den Erhebungen von ProFemina (nicht zu verwechseln mit Pro Familia) ist es häufig das Umfeld, welches den Abbruch fordert. Die Fristen, also 12 beziehungsweise 22 Wochen, werden hier teilweise wie ein rettendes Ufer wahrgenommen. Die weitere Diskussion mit den zur Abtreibung drängenden Angehörigen erübrigt sich, der Abbruch ist dann rechtmäßig nicht mehr möglich.
Auch diese Schwangeren haben doch ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, sowie auf körperliche und geistige Unversehrtheit(2).
Ebenfalls zu würdigen wäre bei einer Nachfolge-Regelung das Recht auf geistige Unversehrtheit des Vaters, sowie das des Arztes, der die Abtreibung eines lebensfähigen Fötus kurz vor der Geburt vielleicht auf Anweisung seines Vorgesetzten vorzunehmen hat.
Umsetzung
Wie die Abtreibung eines Kindes kurz vor der Niederkunft denn halbwegs human ablaufen soll, wäre in dieser Nachfolgeregelung ebenfalls zu klären. Ein Fötus beispielsweise im 6. Monat ist etwas anderes, als einer vor der 12. Woche:
Erst zerstückeln und dann herausholen? Oder umgekehrt? Vielleicht mit Medikamenten abtöten – unter gleichzeitiger Gefährdung der Gesundheit der Mutter – und dann ganz oder in Stücken herausholen? Oder doch lieber das Baby im Mutterleib einer Vollnarkose aussetzen und darauf hoffen, dass es nach der Entbindung nicht plötzlich anfängt zu atmen?
Ein Horror-Szenario.
„Hier kann man sie noch erblicken, fein geschroten und in Stücken“ (W.B.)
Absolute Gerechtigkeit kann es nicht geben. Doch mit der aktuellen Regelung ist unser Land Jahrzehnte gut gefahren, und die Interessen aller Betroffenen wurden angemessen berücksichtigt.
Rechtsgüter, die mit den Rechten anderer Personen kollidieren einfach aus dem jeweiligen Gesetzbuch herauszunehmen, sie auszublenden, dem Konflikt auszuweichen, das wäre nichts anderes, als ein Angriff auf den Rechtsstaat.
Es bleibt zu hoffen, dass sich bei dieser Neuregelung die gemäßigten Kräfte durchsetzen.
(1) Siehe auch Artikel vom 5.1.2023 in der JF
(2) Artikel 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
(3) Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, 2018: Die Tatbestände StGB §§ 211, 212 (Tötung) sowie §§223 ff (Körperverletzung) finden keine Anwendung auf ungeborenes Leben. (PDF )
Bilder: akfoerster.de