Kollateralschäden in der Corona-Pandemie aus Sicht einer Logopädin

In der derzeitigen Corona-Pandemie sind viele sogenannte Kollateralschäden aufgetreten. Manche davon sind sofort sichtbar und manche wiederum stechen nicht sofort ins Auge, sondern zeigen sich erst im Nachhinein. Unter den Logopäden, die sich kritisch mit den Maßnahmen auseinandersetzen, hat gerade erst eine Bestandsaufnahme begonnen. Diese läuft nicht im Rahmen langwieriger Studien, sondern beginnt in Chatgruppen, in denen wir vernetzt sind und uns austauschen.
Ernsthafte und realistische Studien sind für die Aufarbeitung der Pandemie unumgänglich und werden hoffentlich bald den Weg an die Öffentlichkeit finden.

Ich möchte mich in diesem Artikel nur mit dem Tragen von chirurgischen oder FFP2-Masken beschäftigen und mich mit den wenigen, bekannten Folgeschäden auseinandersetzen, denn die Gesamtheit der Folgen lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt bei weitem nicht abschätzen.

In jüngster Zeit bemerkten Logopäden, dass es zu Sprachentwicklungsverzögerungen bei Kindern kommt. Es ist aufgefallen, dass Kleinkinder, deren Umfeld sich oft Masken aufsetzt, in der Sprachentwicklung Schwierigkeiten haben, weil sie zum gesprochenen Wort keine Mimik sehen. Unter einer Maske kann man nicht entscheiden, ob verengte Augen eine positive Mimik widerspiegeln (z.B. Freude) oder eine negative (z.B. Unverständnis). Das Kind lernt den emotionalen Aspekt der Worte nicht oder nur unzureichend kennen und kann das Wort nicht nachhaltig in seinen Wortschatz integrieren.

Wenn wir beispielsweise das Wort „lieb“ benutzen, wird es immer durch eine bestimmte Mimik ergänzt. Das Kind sieht, dass diesem Wort etwas Gutes, etwas Positives zu Grunde liegt. Lernt das Kind dieses Wort aber ohne die dazu passende Mimik, bleibt es ein „ leeres“ Wort. Dazu kommt, dass Worte und alles was wir lernen, besser und länger gespeichert wird, wenn es durch eine Emotion begleitet wird oder in einem emotionalen Moment gelernt wird. Kritische Kolleginnen und Kollegen erkennen langsam, dass sich alleine durch das Tragen der Maske im Alltag unserer Kleinsten folgende logopädische Störungsbilder entwickeln:

Dysgrammatismus (Fehlbildung von Sätzen)
Fehlbildung einzelner Laute
Poltern (Unflüssiges Sprechen)
Undeutliche Aussprache bei Kindern mit Problemen in der Mundmotorik, da die Maske die Bewegungsfreiheit der Lippen einschränkt
Atembeschwerden bei Kindern mit Lippen-Kiefer- Gaumenspalten
Die Maske ist ein Fremdkörper im Gesicht und Kinder neigen dazu, ständig mit der Zunge an der Maske herumzuspielen. Das führt zur Durchfeuchtung der Maske, was zu Entzündungen an den Lippen und im Mund führt.

Inzwischen gibt es auch Fälle von Gesichtslähmungen bei Kindern durch das Tragen der Maske.

Diese wesentlichen Punkte müssen im Spracherwerb daher gewährleistet sein:

1. für eine nachhaltige Speicherung von Worten muss die zugehörige Emotion gesehen und erlernt werden können
2. um die richtige Aussprache zu lernen, muss die visuelle Kontrolle möglich sein

Wichtig ist auch die mimische Bestätigung des Therapeuten. Es motiviert die Patienten während der Therapie einfach mehr, wenn sie ihren Therapeuten bei Erfolg strahlen sehen, als wenn man nur undefinierbare Bewegungen der Augen über einer Gesichtsmaske sehen kann.

So wie Kinder die Mimik ihrer Bezugspersonen brauchen, benötigen beispielsweise auch erwachsene Schlaganfallpatienten, deren Sprachzentrum z. B. durch Blutungen im Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wurde, die uneingeschränkte Sicht auf das gesamte Gesicht des Therapeuten. Sie müssen wie Kinder teilweise den kompletten Wortschatz neu lernen.
Wenn dann noch eine Störung der Motorik (z. B. Bewegung der Zunge beim Sprechen) oder Sensorik (Wahrnehmung der Zungenlage oder Bewegung beim Sprechen) vorliegt, kann der Patient das Wort nicht nur nicht mehr abrufen und er kann nicht den richtigen Befehl an den Mund senden, um das Wort auch aussprechen zu können, wenn er es gefunden hat. Um das leisten zu können, muss der Patient zwingend den Mund des Therapeuten sehen. Er muss sehen wie die Bewegung richtig wäre, damit er nicht zum Beispiel „Danne“ sagt, wenn er „Pfanne“ meint.
Mit einer Maske auf dem Gesicht des Therapeuten ist das nicht möglich.

Auch in der Dysphagietherapie (Schlucktherapie) hat das Gesicht des Therapeuten eine oft unterschätzte Aufgabe.
Kleine wie große Schluckpatienten können manchmal auch auf Grund von fehlerhafter Motorik- oder Sensorikleistung das Essen nicht richtig schlucken. Dafür kann es verschiedene Gründe geben. Zum Beispiel kann die Zunge Schwierigkeiten haben, den genauen Ablauf des Essenstransportes zu leisten, das Essen fällt während des Schluckens von der Zunge. Der Patient verschluckt sich.

In der Therapie mit erwachsenen Patienten (bei Kindern verläuft die Therapie anders) zeigt der Therapeut dem Patienten was die Zunge machen soll. Diese visuelle Kontrolle im Gesicht des Therapeuten ist entscheidend für den Therapieerfolg und für die Dauer der Therapie.

Kann der Patient den Mund / die Zunge des Therapeuten nicht oder nur kurz sehen, fällt es dem Patienten viel schwerer die richtige Bewegungsabfolge nachzuvollziehen und diese richtig zu üben. Außerdem muss der Patient sich auch zu Hause selber kontrollieren können. Das geht aber nur, wenn er sieht wie die Bewegung richtig geht.

Das ist nur ein kurzer Ausschnitt der Folgen des dauerhaften Tragens einer Gesichtsmaske. Wir haben -wie gesagt- erst mit der Bestandsaufnahme aller Folgeschäden der Maßnahmen begonnen.

Es gibt Therapeuten, die meine Meinung nicht teilen, aber es gibt immer mehr Kollegen, die die Problematik ebenso wahrnehmen. So wurde kürzlich in der FAZ eine Untersuchung der britischen Schulaufsichtsbehörde veröffentlicht, in der festgestellt wurde, dass immer mehr Kinder aufgrund dieser Maßnahmen unter einer Sprachentwicklungsverzögerung leiden. Dies fiel auf, da mehr Anträge auf außerschulische Unterstützung beantragt wurden als in den Jahren zuvor.

Es muss wieder möglich werden, untereinander solche Fragen zu diskutieren, denn selbst das ist bedauerlicherweise nicht möglich. Darüber hinaus sollte es für alle Therapeuten wieder selbstverständlich werden, einen angstfreien Umgang mit Viren und anderen „gesundheitlichen Bedrohungen“ zu leben.
Das Thema Eigenverantwortung und Verantwortung für die Patienten sollte von Verbänden, Krankenkassen, Kollegen, Sonderschullehrern und allen Verantwortlichen mehr in den Fokus genommen werden: Dazu gehört, die Verordnungen zu hinterfragen und so auszulegen, dass den eigenen Patienten die bestmögliche Therapie zukommen kann.

Aber die Therapeuten könnten auch Fragen zulassen wie: „Kann ich gedanklich einkalkulieren, dass sich die Regierung, die Verbände und viele Wissenschaftler irren?“ und „Kann ich dem Patienten helfen, wenn er mir sagt, dass die Maske ihn behindere oder wenn ich merke, er hat Angst vor einem maskierten Therapeuten?“

Ich wünsche mir einen offenen Diskurs über Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen unter Kollegen, Politikern, Ärzten, Pflegern und in den Familien. Es ist notwendig, auch die indirekten Schäden des Maskentragens, die wir erst mit der Zeit sehen können und die Folgen der anderen Maßnahmen benennen zu können, damit wir für unsere Patienten die optimalen Therapieerfolge erzielen können, damit unsere Kinder sich normal entwickeln können und wir bei unseren Bestrebungen die Würde des Menschen im Blick behalten.

Jay Bee, Logopädin, Ende April 2022

Veröffentlicht in Blog, Gesundheit und Medizin, Kleinkinder, Schulkinder und verschlagwortet mit .

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