Mit großer Sorge beobachtet die AG Kindeswohl die gegenwärtigen Gerichtsurteile an deutschen Familiengerichten. Da werden immer häufiger Urteile gesprochen, bei denen der Wille des Kindes übergangen wird und Entscheidungen getroffen, die das Kindeswohl nicht mehr berücksichtigen.
In einem Online-Beitrag von Christiane Cichy, MDR-Wirtschaftsredaktion (Stand: 7.4.2022) wird eine neue Studie des Soziologen und Kinderschutzexperten Wolfgang Hammer vorgestellt, in der rund 1000 Fälle untersucht wurden: „Familienrecht. Eine Bestandsaufnahme“.
Der Studie zufolge gibt es zahlreiche Fälle, in denen Kinder gegen ihren Willen der Mutter entrissen werden, um sie dem geschiedenen Vater zuzusprechen oder um sie vorübergehend auch in Obhut zu nehmen. Verdachtsmomente auf sexuellen Missbrauch oder Gewalt gegen das Kind bleiben vor Gericht oftmals unberücksichtigt. Wolfgang Hammer zitiert aus einer Gerichtsakte diese schier unglaubliche Feststellung: „Pädophile Neigungen des Vaters oder der begründete Verdacht des sexuellen Missbrauchs rechtfertigen nicht von sich aus einen Ausschluss des Umgangs.“
Besonders dramatisch verlief die Sache für eine Mutter aus Wismar, bei der drei Kinder gewaltsam herausgeholt wurden, um sie zum Vater zu bringen. Dabei brach die Polizei Türen auf, denn die Kinder wollten nicht von der Mutter weg und hatten sich versteckt. Und als eines der Kinder, ein 13jähriger Junge, dann vom Vater wieder weglief und zur Mutter zurückkehrte, wiederholte sich das Ganze. Nur kam der Junge diesmal in ein Heim. Gleiches geschah einem 12jährigen Mädchen in einem anderen Verfahren: Sie wurde ebenfalls per Gerichtsbeschluss der Mutter entrissen. Und da sie beim Vater nicht leben wollte, ließ dieser sie in ein Heim stecken. Kontakte zur Mutter darf sie seitdem nicht mehr haben. In beiden Fällen waren die Mütter Lehrerinnen, denen keinerlei Vernachlässigung der Kinder nachgewiesen werden konnte.
Wir, die AG Kindeswohl, sehen eine solche Rechtsprechung als eklatanten Verstoß gegen die Rechte des Kindes. Wenn dann ein solches Urteil gewaltsam umgesetzt wird, wenn die Polizei Türen aufbricht, um Kinder gegen ihren Willen der Mutter zu entreißen, dann rückt der Rechtsstaat in weite Ferne. Zu gegebener Zeit werden sich die Verfahrensbeteiligten, Richter, Mitarbeiter des Jugendamts, Gutachter und Polizeibeamten für ihre Taten verantworten müssen. Ebenso die Väter, in seltenen Fällen auch die Mütter, die solche Verfahren in Gang gesetzt haben. Wir fordern die Familiengerichte auf, in Zukunft Urteile zu fällen, die dem Wohl des Kindes wieder gerecht werden!
Ulrike Tuscher – Dipl.Soz.Pädagogin im April 22