Niedersachsen – Rechtliches

Rechtliches

Die rechtliche Situation im jeweiligen Bundesland

Justitia - besondere Blindheit, wenn es um Kinder geht?

Schulgesetz

Sexualerziehung ist Bestandteil des regulären Unterrichts. Dieser wird von Lehrkräften durchgeführt – § 51 NSchG. Die Lehrkräfte müssen nach § 62 NSchG die Schüler in der Schule usw. beaufsichtigen.

  • 2.1: Die Schule soll die Persönlichkeit der Schüler »auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln. (…) Die Schülerinnen und Schüler sollen fähig werden, (…) nach ethischen Grundsätzen zu handeln sowie religiöse und kulturelle Werte zu erkennen und zu achten, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten (…).«
  • 3.2: »(…) In Erziehung und Unterricht ist die Freiheit zum Bekennen religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zu achten und auf die Empfindungen Andersdenkender Rücksicht zu nehmen.«
  • 96.4: »Die Lehrkräfte haben Inhalt, Planung und Gestaltung des Unterrichts mit den Klassenelternschaften zu erörtern. Dies gilt vor allem für Unterrichtsfächer, durch die das Erziehungsrecht der Eltern in besonderer Weise berührt wird. Die Erziehungsberechtigten sind insbesondere über Ziel, Inhalt und Gestaltung der Sexualerziehung rechtzeitig zu unterrichten, damit die Erziehung im Elternhaus und die Erziehung in der Schule sich soweit wie möglich ergänzen. Die Sexualerziehungin der Schule soll vom Unterricht in mehreren Fächernausgehen. Sie soll die Schülerinnen und Schüler mit den Fragen der Sexualität altersgemäß vertraut machen, ihr Verständnis für Partnerschaft, insbesondere in Ehe und Familie, entwickeln und ihr Verantwortungsbewusstsein stärken. Dabei sind ihr Persönlichkeitsrecht und das Erziehungsrecht der Eltern zu achten. Zurückhaltung, Offenheit und Toleranz gegenüber verschiedenen Wertvorstellungen in diesem Bereich sind geboten.«

Obwohl es im SG nicht erwähnt wird, besteht ein Recht der Eltern auf Hospitation an einzelnen Unterrichtsstunden (s. hier).

Aktionsplan

Bisher ist das wichtigste Ergebnis der Kampagne Gemeinsam für Vielfalt* in Niedersachsen – einer Kooperation zwischen Land und LSBTI-Community – ein Kongress im Jahr 2015 gewesen. In dem Abschlussbericht werden konkrete Maßnahmen für die Umsetzung des Aktionsplans gefordert, ins. im Bereich Bildung (S. 14-18 und 45-51): »Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt gehöre flächendeckend in jegliche Ausbildung – von der Elementarpädagogik bis hin zur beruflichen Weiterbildung und Hochschullehre.« »Die Thematisierung von Vielfalt im Unterricht sollte nicht weiter vom Zufall abhängig bleiben«, auch weil die Schulbuchverlage sich sonst »weigern, das Thema Vielfalt aufzunehmen, solange dies nicht in den Lehrplänen stehe.« Dem Land wird es zudem empfohlen, die schulische Aufklärungsarbeit von SCHLAU zu unterstützen, was seit 2015 auch geschieht.

Sexualerziehung

  • Sexualerziehung hat in Niedersachsen keinen eigenen Bildungsplan, sondern ist in den verschiedenen Lehrplänen verankert, die i.d.R. nach ca. 8 Jahren überarbeitet werden. Alle neu erlassenen Curricula berücksichtigen den Landtagsantrag „Schule muss der Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identitäten gerecht werden – Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen fördern – Diskriminierung vorbeugen“ vom 15.12.2014, der die Landesregierung u.a. dazu bittet, »- die Kerncurricula aller Klassenstufen dahingehend zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen, dass die Thematisierung der Existenz und Lebenswirklichkeit von Menschen verschiedener sexueller Identitäten hinreichend Berücksichtigung und angemessene Behandlung finden, – die angemessene Berücksichtigung der Vielfalt sexueller Identitäten auch zum Kriterium für die Genehmigung von Schulbüchern zu machen« sowie Schulaufklärungsprojekte zu fördern, »die eine Begegnung mit Menschen unterschiedlicher sexueller und geschlechtlicher Identität ermöglichen.« So hält sexuelle Vielfalt Einzug in alle neuen Lehrpläne. Sogar im Lehrplan für Mathematik (!) für die gymnasiale Oberstufe heißt es dann: »Das Fach Mathematik thematisiert ggf. auch (…) die Vielfalt sexueller Identitäten und trägt dazu bei, wechselseitige Abhängigkeiten zu erkennen und Wertmaßstäbe für das eigene Handeln sowie ein Verständnis für gesellschaftliche Auseinandersetzungen zu entwickeln.«

In der Primarstufe ist Sexualerziehung v.a. Teil des Sachunterrichts: Für die Arbeit mit Schülern der 1. und 2. Klasse wird das Buch „Alles Familie!“ über verschiedene Familienformen empfohlen; Am Ende der 4. Kl. können die Schüler die Veränderung der Pubertät beschreiben sowie Möglichkeiten der Empfängnisverhütung benennen.

In den Sekundarstufen I und II ist das Thema ins. in den Fächern Naturwissenschaften (die Schüler »beschreiben Aspekte selbstbestimmter Sexualität und Identität und entwickeln Akzeptanz gegenüber unterschiedlichen sexuellen Identitäten«) und Werte und Normen präsent, das die Alternative zum Religionsunterricht darstellt: Im 8. Jg. thematisieren die Schüler die »Vielfalt partnerschaftlicher und sexueller Beziehungen in der Gegenwart«, im 10. untersuchen sie »verschiedene Formen der Geschlechtsidentität«. Sogar im Fach Darstellendes Spiel zählen „Gender, sexuelle Vielfalt“ zu den zu erwerbenden Kompetenzen.

  • Aus dem Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für Kitas: (S. 14) »Die sozial-emotionale Entwicklung des Kindes ist eng verbunden mit seiner psycho-sexuellen Entwicklung. Kinder sind von Geburt an sexuelle Wesen mit eigenen sexuellen Bedürfnissen und Phantasien (…). Die Übernahme der Geschlechtsrolle als Junge bzw. Mädchen ist für jedes Kind von zentraler Bedeutung. Aufgabe der Tageseinrichtung ist es, sie in diesem Prozess zu unterstützen und dabei einengende Geschlechterstereotype zu vermeiden
  • Das durch das Kulturministerium finanzierte Heft Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt sowie Regenbogenfamilien in der KiTa, ausgehend von der Überzeugung, dass »traditionell zweigeschlechtlich gedachte Familienvorstellungen mittlerweile nicht mehr greifen« (S. 7), fordert Pädagogen dazu auf, die geschlechtliche Vielfalt im Kita-Alltag immer sichtbarer zu machen, etwa durch Anwendung von Materialien, die verschiedene Familienmodelle und sexuelle Orientierungen zeigen.