Folgen und Alltagsprobleme nach dem Trauma
Aufbau der Vortragsreihe:
Teil 1: systematisch-diagnostische Grundlagen.
Teil 2: Folgen und Alltagsprobleme nach dem Trauma.
Teil 3 (Ausblick): unmittelbare traumatische Erfahrungen und konkrete Begleitung.
Folgen traumatischer Erfahrungen:
- Traumatische Erlebnisse werden nicht folgerichtig und zeitlich geordnet abgespeichert → kein zusammenhängendes Erinnerungsnarrativ.
- Betroffene können oft nur Bruchstücke berichten, die unlogisch wirken.
- Außenstehende stempeln sie oft ab als „verrückt“, „Lügner“ oder „Spinner“.
Gestörte soziale Interaktion:
- Missverständnisse, Verkennungen, Orientierungs- und Zeitstörungen sind häufig.
- Die traumatisierte Person sieht sich selbst als ehrlich und normal – Außenstehende verstehen aber ihre Reaktionen nicht.
- Das kann Beziehungen und Kommunikation massiv belasten.
Körperliche Folgen / Psychosomatik:
- Häufig somatoforme Störungen (Schmerzen, körperliche Symptome ohne Befund).
- Früher oft als „Hysterie“ abgetan, heute besser verstanden.
- Gute Anamnese kann aufdecken, dass hinter körperlichen Beschwerden Traumatisierungen stehen.
Therapieansätze:
- Klassische Psychoanalyse (Freud) ist für Traumatherapie ungeeignet.
- Wichtige Pionierin: Luise Reddemann → entwickelte psychodynamisch-imaginative Traumatherapie.
- Hypnotherapeutische Methoden & imaginative Verfahren helfen beim Zugang zu Gefühlen, ohne Überwältigung.
- Verbalisation ist entscheidend: alles, was sprachlich ausgedrückt werden kann, ist auch bewusst zugänglich.
Gefahr bei falscher Therapie:
- Früher versuchte man Traumasynthese (Erinnerungsbruchstücke zusammensetzen) → führte oft zu Retraumatisierung.
- Jede Erinnerung wird als gegenwärtig erlebt, nicht als Vergangenheit → kann unerträglich sein.
Dissoziation & Persönlichkeitsanteile:
- Trauma führt oft zur Abspaltung von Gefühlen oder ganzen Persönlichkeitsanteilen.
- Typische Grundtypen:
- Ignoranz (Normalperson, weiß nichts vom Trauma)
- Kontrolle (aggressiv, wütend, beschützend)
- Sensibilität (fühlt stark, aber fragil)
- Über 100 Anteile sind möglich. Jeder trägt nur Bruchstücke von Erinnerung → Schutzfunktion, aber Alltag wird erschwert.
Inaktive Traumatherapie: (Ellert Nijenhuis)
- Statt Erinnerungen zu erzwingen → abgespaltene Anteile zueinander in Beziehung bringen.
- Ziel: gegenseitige Wahrnehmung, Wertschätzung und Akzeptanz.
- Vorbereitung auf Integration / Fusion, bei der alle Teile wieder zu einer Gesamtpersönlichkeit verschmelzen.
Rolle aggressiver Anteile:
- Oft als „Täteridentifikation“ missverstanden.
- Tatsächlich entstanden sie, um Überleben zu sichern (z.B. Wut, Abwehr, Schutz vor weiteren Traumatisierungen).
- Aufgabe der Therapie: auch aggressive Anteile anerkennen und ihren Nutzen verstehen.
Kinder & Entwicklung:
- Kinder sind besonders gefährdet, weil Traumata ihre seelische und körperliche Entwicklung stören.
- Offene „Lernfenster“ (Bindung, Sprache, Vertrauen, Empathie) können durch Trauma verschlossen werden.
- Lautes Anschreien, Freiheitsentzug oder ständige Demütigungen wirken wie traumatischer Stress → nachweisbar z.B. in Hirnveränderungen (Hippocampus-Verkleinerung).
Heilungsmöglichkeiten:
Eine Heilung ist möglich, auch bei schweren Traumatisierungen, wenn:
- kein Täterkontakt mehr besteht,
- sichere Umgebung gewährleistet ist,
- Integration/Fusion therapeutisch begleitet wird.
Positive Beispiele zeigen, dass Menschen wieder ein zusammenhängendes Biografie- und Gegenwartsbewusstsein entwickeln können.
Unterstützung durch Angehörige / Umfeld:
- Begleitpersonen brauchen oft selbst Unterstützung (z.B. Angehörigengruppen wie Emotions Anonymous).
- Hilfe nur anbieten, wenn gewünscht – sonst riskieren Außenstehende Übergriffigkeit.
- Wichtig sind: Geduld, Verständnis für ungewöhnliche Reaktionen, und das Wissen, dass jede Erinnerung für Betroffene wie ein Jetzt-Erleben ist.
Fazit:
Anne betont, dass Traumafolgeschäden tiefgreifende Störungen in Erinnerung, Identität und sozialer Interaktion verursachen. Dissoziation schützt zwar, erschwert aber Heilung. Erfolgreiche Therapie muss auf Sicherheit, Akzeptanz der Anteile und schrittweise Integration setzen – niemals durch erzwungenes Erinnern. Kinder sind besonders verletzlich, da Traumata ihre Entwicklung dauerhaft prägen können. Heilung ist möglich, aber nur mit fachlich gut begleiteten und behutsamen Methoden.
Video Teil 1 Traumafolgestörungen: <- (hier klicken)
Um die Aufzeichnung des Vortrages Teil 2 im Elterncafè anzusehen, klicken Sie bitte unterhalb den Orangenen Button, damit Sie das Video (Teil 2) hier anschauen können.
Anne Ohlert Teil 2 Traumafolgestörungen
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